Signalmittel der Pionierzeit

Beim Bau des Eisenbahnnetzes vor mehr als hundertfünfzig Jahren war es selbstverständlich, dass bei allen Stationen und Bahnübergängen eine zuständige Person eingesetzt wurde, welche die notwendigen Weichen, Signale und Schranken von Hand bediente. Bei diesem System wurden nicht nur sehr viele Angestellte benötigt, sondern es war auch unumgänglich, relativ starre Vorschriften über die Abwicklung des Eisenbahnbetriebes zu erlassen und z.B. die Zugsfolge allen Posten schriftlich abzugeben. Wurde es ausnahmsweise nötig, von der Fahrordnung abzuweichen, so war es recht aufwändig, alle beteiligten Stellen zu informieren.

Man beachte, dass um 1850 das Telefon noch nicht erfunden war! Lediglich die Telegrafie mit Morsezeichen (1840 erfunden) war als schnelles Übermittlungssystem verfügbar und wurde von einzelnen Bahngesellschaften für Meldungen zwischen den Stationen benützt, das Personal entlang der Strecke wurde dagegen über eine umständliche und langsame Kette von Wärterposten informiert. Erst ab etwa 1875 kündeten die ersten elektrisch betriebenen Läutwerke den Abgang der Züge aus dem Bahnhof entlang der betroffenen Strecke an.

Als Signalmittel zwischen dem Bodenpersonal und dem Fahrpersonal wurden in den Anfangsjahren tagsüber Rufhörner, Flaggen, Glocken und Handzeichen verwendet, nachts Laternen und Pechfackeln. Den Lokführern stand die Dampfpfeife der Lok zur Verfügung. Rote Gegenstände, rotes Licht und rasche Bewegungen bedeuteten seit jeher "Halt". Die Bedeutung der übrigen Farben änderte sich jedoch im Verlaufe der Entwicklung: Zunächst zeigten grüne Flaggen und Lichter sowie langsame Bewegungen Gefahren an und mahnten zur Vorsicht, während weisse oder unbewegte Gegenstände freie Fahrt signalisierten. Heute ist dagegen zumindest in Europa grün für die freie Fahrt und orange (im Eisenbahnjargon "brandgelb") für "Gefahr" fest etabliert. In den USA leuchtet hingegen an Fussgängerstreifen die Einladung "WALK" zum Gehen auch heute noch weiss auf.

1862 erfand Matthias Hipp (seit 1852 Chef der Eidgenössischen Telegraphenwerkstätte) die "Hipp'sche Wendescheibe", ein mechanisches Signal mit elektrischer Fernauslösung, das den Zügen die Erlaubnis zur Einfahrt in eine Station erteilte bzw. verwehrte. In den 1860er Jahren entwickelte Hipp auch das erste rein selbsttätige Blocksignal. Es regelte die Zugsfolge auf längeren Strecken und stellte damit sicher, dass sich immer nur ein Zug gleichzeitig auf einem Abschnitt zwischen zwei Signalen befand. Bis dahin war die Benützung der Streckengeleise nur durch den Fahrplan geregelt und es war in England zu einer grossen Auffahrkollision gekommen, weil ein vorausfahrender Zug auf einem steilen Streckenabschnitt stehengeblieben war.

Mechanisches Flügelsignal (Museumsstück in Olten)
mechanisches
Flügelsignal

Mit der Zunahme des Eisenbahnverkehrs stiess diese betriebliche Organisation immer mehr an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit. Es zeigte sich im Verlauf der Eisenbahngeschichte auch immer wieder, dass Eisenbahnunglücke sehr oft auf eine Verkettung von unglücklichen Umständen zurückzuführen waren, wobei Extrazüge, Verspätungen (z.B. infolge von Maschinenschäden oder extremen Witterungsbedingungen) oder andere Abweichungen vom Normalfahrplan und fehlende, unvollständige oder missverständliche Absprachen meist am Anfang standen. Zudem stieg das Risiko mit der Verdichtung der Fahrpläne und mit der zunehmenden Komplexität der Gleisanlagen in den grossen Bahnhöfen. Es mussten deshalb Mittel gefunden werden, mit denen sich die Anzahl der beteiligten Personen reduzieren, die Entscheidungswege bei betrieblichen Ausnahmesituationen entscheidend verkürzen und die Zuverlässigkeit der Übermittlung verbessern liessen.



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